Raketenmann hat einen MECO

Leben Von Raketenmann
Raketenmann hat einen MECO

🧑‍🚀 Raketenmann hat eine MECO

MECO – das steht im Raketenjargon für Main Engine Cut-Off. Es ist der Moment, in dem die Haupttriebwerke einer Rakete abgeschaltet werden. Warum? Weil die Geschwindigkeit reicht. Weil es Zeit ist, in die Umlaufbahn einzuschwenken – und nicht einfach weiter geradeaus zu rasen.

Ich, der Raketenmann, hatte gerade meinen ganz eigenen MECO.

In den letzten Monaten war mein Leben im vollen Schubmodus: neue Projekte, Kurse, Reisen, Herausforderungen. Ich bin geflogen – schnell, voller Energie, mit viel Leidenschaft. Aber irgendwann habe ich gemerkt: Wenn ich so weitermache, fliege ich an meiner eigenen Umlaufbahn vorbei. Ich verliere das Gleichgewicht, die Orientierung, vielleicht sogar das, was mir eigentlich wichtig ist.

Deshalb habe ich den Hauptantrieb abgeschaltet.

Nicht um stehen zu bleiben – sondern um bewusst weiterzufliegen. Im Gleitflug. In Balance. Ich konzentriere mich jetzt auf das Wesentliche: meine Familie, meine Gesundheit, meine Kreativität.

„Raketemann, wieso siehst du so alt aus?“

Vor zwei Wochen war ich wieder an einer Schule unterwegs, um einen meiner Kurse zu geben. Gerade als ich das Schulgelände betrat, rief mir ein Kind entgegen:

„Ach, Raketemann! Ich habe dich seit Wochen nicht gesehen. Wieso siehst du so alt aus?“

Dieser Satz traf mich unerwartet – vielleicht auch, weil ich mich an genau diesem Tag selbst alt und ausgelaugt fühlte, unwohl. Es kostete mich große Überwindung, überhaupt in der Schule aufzutauchen. Ich war müde, angeschlagen, und eigentlich hätte ich Kraft für mich gebraucht.

Doch ich war da – wie so oft.

Und wie so oft war es auch nicht einfach: Obwohl ich mittlerweile bestimmt schon zum zehnten Mal an dieser Schule unterrichtete, stand ich erneut vor verschlossener Tür. Ich musste erst beim Sekretariat klingeln und warten, bis man mich hineinließ – und dann kam die Frage:

„Wer sind Sie überhaupt? Was machen Sie hier? Sind Sie der Hausmeister?“

Sie hatten meinen Wagen gesehen, vollgepackt mit Werkzeug, Lötmaterial, Bauteilen und Unterlagen – alles, was ich für meinen Technikkurs mitgebracht hatte. Aber statt Anerkennung bekam ich nur ein Schulterzucken.

Und dann komme ich endlich ins Klassenzimmer – angeschlagen, aber bereit zu unterrichten – und es sitzen dort nur drei Kinder. Erst 15 Minuten später trudeln die restlichen ein. Und einige sind wieder dieselben wie vor einer Woche. Dann heißt es: „Das ist langweilig, das hatten wir doch schon letzte Woche.“ Dabei war es für diese Woche geplant, dass die Kinder aus einer anderen Gruppe teilnehmen.

Ich habe bereits mehrfach gebeten, dass die Erzieher*innen die richtigen Kinder pünktlich und gesammelt ins Klassenzimmer bringen. Das tun sie auch – aber oft chaotisch. Manchmal kommen die falschen Kinder.

Spreche ich diese Probleme an, heißt es:

„Sie genießen ja schon extra-Vorteile als Erziehungskraft in der Ganztagsschule. Bei anderen Kursen sammeln die Erzieher*innen die Kinder alleine.“

Nur: Ich bin keine Erziehungskraft.

Ich bin Ingenieur. Mein Ziel ist es, Kindern hochwertige Kurse zu geben – Technik zu erklären, Begeisterung zu wecken, mein Wissen mit ihnen zu teilen. Und genau hier habe ich verstanden:

Meine Kurse passen nicht überall rein. Nicht jede Ganztagsschule bietet den richtigen Rahmen dafür.

Es war einer dieser Tage, die einen zweifeln lassen. An sich selbst. An dem, was man tut – und ob es überhaupt Sinn ergibt.

Aber auch das gehört zum Flug des Raketenmanns.

Kurse für Kinder zu geben, erfüllt mich.

Wenn ich sehe, dass Kinder etwas mitnehmen, dass sie begeistert sind, dass in ihren Augen etwas klickt – dann ist das ein unbezahlbares Gefühl. Für viele Jahre habe ich diese Kurse ehrenamtlich gegeben. Ich habe mit Herzblut experimentiert, gebastelt, erklärt – einfach, weil ich daran glaube.

Aber manchmal blieb dabei ein schales Gefühl zurück: Ich wurde nicht ernst genommen.

Ich erinnere mich an einen Nachmittag, an dem ich extra früher von der Arbeit ging, um in einem Hort einen Elektrotechnik-Kurs zu halten. Ich hatte alles vorbereitet, Materialien eingepackt, war pünktlich da – und dann sagte man mir vor Ort:

„Ach ja, heute findet der Kurs nicht statt. Wir haben vergessen, Ihnen Bescheid zu sagen.“

Aus dieser Erfahrung – und einigen ähnlichen – habe ich beschlossen, für meine Kurse ein Honorar zu verlangen. Was ich dabei unterschätzt habe: Den Aufwand.

Auch wenn ich manchmal nur 30 Euro pro Stunde bekomme – was meine tatsächlichen Kosten nie deckt – stecken dahinter viele Stunden Vorbereitung, Abrechnungen, Steuerfragen, Rechnervorbereitung, und jede Menge Bürokratie. Und leider gibt es auch Organisationen, bei denen ich seit Monaten auf mein Geld warte – mit Erinnerungen, Mahnungen, und dem ständigen Gefühl, betteln zu müssen.

Bitte nicht falsch verstehen:

Es gibt wundervolle Schulen, Einrichtungen und Partner, mit denen die Zusammenarbeit ein Geschenk ist.

Aber der organisatorische Aufwand ist enorm – vor allem, wenn man alles allein macht.

Und all diese Organisation mache ich in meiner Freizeit: abends, am Wochenende, und oft genau dann, wenn ich mich eigentlich erholen und neue Kraft tanken sollte.

„Seitdem du den Raketenmann bist, arbeitest du Tag und Nacht. “

Neulich sagte meine Frau: Und ich glaube, sie hatte recht. Letzte Woche stand ich in meinem Arbeitszimmer und wusste nicht, womit ich anfangen soll.

  • Es gibt zig angefangene Projekte.

  • Experimente für Kinder, die ich noch nicht fertig entwickelt habe.

  • Unterlagen, die seit einem Jahr unsortiert auf ihren Platz warten.

  • Offene Rechnungen, die ich noch nicht geschrieben habe.

  • Mindestens sechs Blogbeiträge in der Warteschlange.

  • Ein Video über meine Neuseeland-Reise, das ich den Kindern versprochen habe – immer noch ungeschnitten.

  • Ein Vortrag für nächste Woche – noch nicht vorbereitet.

  • Jährliche Steuerabrechnung

  • Mahnung für Rechnungen die mir seit mehrere Monaten nicht bezahlt wurden

Neben meiner Tätigkeit als Raketenmann habe ich auch einen „echten“ Job – drei Tage die Woche, aber hochintensiv. Dieser Job sichert unser Einkommen. Und dann sind da noch meine drei Kinder, mit allem, was das Leben mit Familie eben so mit sich bringt.

Es ist immer etwas los. Wie neulich: Ich war mitten im Unterricht, als das Telefon klingelte. Mein Sohn hatte sich verletzt. Ich unterbrach den Kurs, holte ihn aus der Schule ab und fuhr direkt mit ihm ins Krankenhaus.

Und während all das parallel lief, hat mein Körper irgendwann leise – und dann immer deutlicher – gesagt:

„Stopp. MECO.“

Eigentlich war es kein plötzlicher Moment, sondern ein langsames Begreifen. Über mehrere Wochen hinweg fühlte ich mich zunehmend schlecht, müde, überfordert. Bis ich die Botschaft verstanden habe: Ich muss den Schub runterfahren. Ich muss die Düsen abschalten. Ich brauche Erholung. Das war der Moment, in dem ich mir gesagt habe: Ich muss Prioritäten setzen.

Und meine höchste Priorität ist: Meine Familie. Meine Kinder. Mein eigenes Wohlergehen.

Ich möchte weiterhin Kurse geben. Experimente machen. Videos drehen. Schreiben. Inspirieren. Kinder begeistern. Aber ich möchte das in einem Tempo tun, das mir guttut. Und ich möchte das für Schulen und Organisationen tun, die meine Arbeit wertschätzen und mich dabei unterstützen. Denn nur so kann ich für andere da sein – mit voller Kraft. Und mit offenem Herzen.