Ich bin doch (nicht) der perfekte Vater!
Vor zwei Jahre suchte die Mutter eines Freundes meines Sohnes meinen Rat, da sie besorgt war, ihr Sohn verliere durch die exzessive Handynutzung das Interesse an allem anderen. Täglich war er nur noch mit seinem Handy beschäftigt und zeigte keine Bereitschaft zu anderen Aktivitäten. Sie erkundigte sich, ob ein 3D-Druckerkurs oder vielleicht YouTube-Streaming bei mir im Angebot wäre, um seine Begeisterung von Handyspielen weg und hin zu neuen Hobbys zu lenken.
Ich empfahl ihr eine Parental-Timer-Control-App und verwies auf Daniel Wolfs Webseite https://www.digitaltraining.de/ für weiterführende Informationen. Wir verabredeten, dass ihr Sohn bei mir vorbeikommen kommen würde für einen Kurs.
Abends, während ich mir die Zähne putzte, sinnierte ich über meine Situation und empfand großes Glück. Bei uns könnte so etwas nicht passieren. Wir nutzen eine Parental Timing App, und ich habe mit meinem Sohn einen vollständigen Mediennutzungsvertrag abgeschlossen. Alles ist perfekt geregelt. Mein Sohn ist auf dem richtigen Weg, und stolz klopfte ich mir auf die Schulter, weil wir solche Probleme nicht kennen. Nach dem Zähneputzen entschied ich mich jedoch, kurz in die Parental Control App zu schauen. Ich hatte fast drei Monate lang nicht hineingeschaut, denn ich vertraue meinem Sohn, oder?
Doch dann traf mich der Schlag. Statt der vereinbarten 30 Minuten täglicher Handynutzung zeigte die App eine Nutzungsdauer von vier Stunden an. Eine gründliche Prüfung offenbarte, dass er unkontrolliert Chrome nutzte und über die Seite poki.de gespielt hatte. Nach einem Gespräch mit meinem Sohn, in dem wir die Wichtigkeit von Vertrauen und Offenheit besprachen, setzte ich eine Begrenzung für Chrome und blockierte die Webseite.

WhatsApp Trick …
Nur drei Wochen später entschied ich mich erneut für eine Kontrolle und stellte fest, dass die Nutzungsdauer unerwartet angestiegen war – wieder um einige Stunden. Wie konnte das geschehen? Ich hatte doch alles richtig eingestellt. Es stellte sich heraus, dass seine Freunde ihm über WhatsApp YouTube-Links geschickt hatten. Diese YouTube-Links öffneten sich direkt in WhatsApp, wodurch sie der Kontrolle der App entgingen.
Mit Sorge über seine steigende Bildschirmzeit setzte ich mich erneut mit ihm zusammen, um über die Situation zu sprechen. Nach einem offenen Dialog limitierte ich WhatsApp auf 30 Minuten und hoffte auf Besserung.
8 Stunden im Playstore …
Für einen Monat war wieder alles in Ordnung, aber dann standen erneut Ferien bevor. In den ersten Tagen musste ich leider arbeiten, und auch meine Frau war beschäftigt. Das bedeutete, dass mein Sohn alleine zu Hause war. Ich sagte ihm: „Hey, triff dich doch mit deinen Freunden oder geh mal ein bisschen raus.“ Er entgegnete jedoch: „Nein, ich möchte eher Bücher lesen.“ Und so verbrachte er mehrere Tage damit, ein Buch nach dem anderen zu verschlingen. Ich fragte ihn mehrmals, ob es nicht zu langweilig sei, nur Bücher zu lesen. „Nein, nein, Papa, passt alles“, beteuerte er. Doch irgendwas stimmte nicht. Ich beschloss, erneut in die Parental Control App zu schauen. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass seine Handynutzung in diesen paar Tagen, in denen er allein zu Hause war, auf acht Stunden täglich angestiegen war. Das meistgenutzte App? Der Play Store. Ich war schockiert. Play Store? Aber dort hatte ich alles blockiert, was Installationen betrifft. Wie konnte das sein? Was könnte er acht Stunden lang im Play Store machen???
Ich rannte in sein Zimmer und fragte ihn: „Was zum Kuckuck hast du 8 Stunden lang im Play Store gemacht?“
Mit Tränen reichte er mir das Handy. „Nimm es weg, nimm es weg, ich hasse es, ich kann es nicht kontrollieren“, flehte er. Es stellte sich heraus, dass er im Play Store kurze 60-Sekunden-Videos über Spiele angeschaut hatte – acht Stunden lang, und er konnte einfach nicht aufhören!

Ein Brief der mich zum Tränen berührt hat
Da es ein wiederkehrendes Problem wurde, habe ich ihm das Handy abgenommen. Letztendlich hat er gegen den Vertrag verstoßen. Zwei Tage später kam er zu mir und überreichte mir dieses Blatt

Ich war sehr berührt, dass mein Sohn das ganze Thema verstand, aber das Handy war für ihn wie eine Droge. Wir führten wieder lange Gespräche, stellten gemeinsam die Timer erneut richtig ein, und er versprach mir, dass er auf mich zukommen würde, wenn etwas wäre. Und so war wieder ein halbes Jahr lang alles in Ordnung.
Eine Woche ohne Kontrolle…
Für ein paar Monate schien alles gut zu gehen, bis ich bemerkte, dass Tobi sich oft im Badezimmer einschloss. Es stellte sich heraus, dass er die Kontroll-App umgangen und über den Browser Firefox, den ich einmal aus Versehen installiert hatte, unbemerkt Spiele gespielt hatte.
Verunsichert über die richtige Vorgehensweise suchte ich den Rat Basti, einen Medienpädagogen bei Studio im Netz, mit denen ich in Freiham auch gemeinsam Kurse gestalte und deren Expertise ich sehr schätze. Anstatt auf klassische Verbote zu setzen, riet Basti mir zu einem partnerschaftlichen Ansatz:
➡️ Eine gemeinsame Vereinbarung mit meinem Sohn – maximal acht Stunden Handynutzung pro Woche, die wir gemeinsam kontrollieren, ohne den Einsatz von Kontroll-Apps. Ich fand diesen Ansatz sehr wertvoll und sprach mit Tobi darüber. Wir beschlossen gemeinsam, die Kontroll-App zu entfernen und es „auf Vertrauensbasis“ zu versuchen. Der erste Tag lief super – 1 bis 2 Stunden Nutzung. Doch schon bald stieg die Bildschirmzeit wieder – auf 2, 3 und schließlich 4 Stunden täglich, teilweise auch während der Schulwoche.
Nach einer Woche kam Tobi auf mich zu und sagte: „Ich kann das nicht kontrollieren, ich hab die Schnauze voll. Bitte, installier die App wieder.“ Ich versuchte zu motivieren: „Komm schon es war nur eine Woche, wir schaffen das zusammen!“ Doch Tobi entgegnete ehrlich: „Nein, Papa – ich bin ein Kind. Für mich ist das alles zu viel. Ich will, dass du mir hilfst – mit der App.“

Diese Erfahrung zeigt mir: Es gibt keine allgemeingültige Lösung. Der Rat war gut – und wahrscheinlich funktioniert er bei den meisten Kindern.
Langfristig ist genau das mein Ziel: dass Tobi lernt, selbstverantwortlich mit Medien umzugehen – ohne Kontrolle von außen.
Aber manchmal ist es einfach noch zu früh, und wir brauchen noch ein paar Leitplanken – und das ist okay.
Ich bin weiterhin sehr dankbar für Bastis Rat und zuversichtlich, dass wir mit Tobi irgendwann den Punkt erreichen werden, an dem er seine Medienzeit ganz allein regelt.
Studio im Netz hat übrigens auch eine sehr hilfreiche Empfehlungsliste zusammengestellt, die ich allen Eltern wärmstens empfehlen kann. Diese Kombinationen führen bei den meisten Kindern bestimmt zum Erfolg:
Digitaler Detox…
Nach all diesen Vorfällen beschloss ich, eine Woche der digitalen Entgiftung anzuordnen, nicht nur für ihn, sondern auch für unsere ganze Familie. Mir fiel auf, dass auch ich viel zu oft auf Reddit unterwegs war, also deinstallierte ich die App und versuchte, auch meine Frau davon zu überzeugen, dass wir unser Handy weniger nutzen sollten. Diese eine Woche war sehr interessant; natürlich gab es große Proteste von Tobias Seite, aber nach zwei Tagen begann er, mit Pokémon-Karten zu spielen und sich öfter mit Freunden zu treffen. Natürlich in paar Wochen kehrten wir schrittweise zu unserem gewohnten Weg zurück, aber ich habe nicht aufgegeben und einige Sachen geändert.
Ich habe ihm verboten, Spiele auf seinem Handy zu spielen. Das bedeutet nicht, dass er gar nicht am Computer spielt. Wir sind beide große Fans von Computerspielen, deshalb hat er auch etwas Computerzeit, in der er Minecraft spielen oder ein paar Strategiespiele ausprobieren kann. Und Freitagabend ist unsere Papa-Zeit. Ein halbes Jahr lang hat er mich gedrängt, ihm zu erlauben, Fortnite mit seinen Freunden zu spielen, was ich zunächst nicht wollte. Letztendlich haben wir beschlossen, dass er es darf, aber nur mit mir zusammen und nur einmal die Woche, und zwar freitagabends. Und es ist unsere magische Zeit geworden. Ich freue mich enorm auf diese Zeit und er auch. Inzwischen vermisst er es auch nicht, dass er Fortnite nur mit mir spielen darf. Es ist unsere gemeinsame Zeit. Danach reden wir manchmal über alles, und es ist so ein schöner Moment in der Woche.

Wie geht es weiter…
Inzwischen sind einige Jahre vergangen. Tobi ist jetzt 13 Jahre alt. Weiterhin hat er die elterliche Kontrolle auf seinem Handy, und Spiele sind darauf vollständig verboten. Aber natürlich trickst er mich ab und zu aus. Was sich jedoch geändert hat: Er hat allmählich verstanden, dass ich diese Limits wegen ihm setze, und wenn ich ihn direkt frage, dann ist er auch ehrlich mit mir.
Keine App dieser Welt ersetzt eine gute Beziehung. Kindersicherungen sind keine Kontrollinstrumente, sondern ein Werkzeug zur Förderung der Selbstständigkeit. Ich hoffe auf den Tag, an dem Tobi seine Medienzeit selbstständig und verantwortungsvoll regelt.

Bleibt auf Kurs, dein
